Haile Selassie – Äthiopiens ‚Löwe von Juda‘
African Roots | 15.06.2018
Seine kaiserliche Hoheit Kaiser Haile Selassie repräsentierte eine dynastische Linie, die Jahrhunderte zurückreichte. Er war ein absoluter Herrscher und doch ein Modernisierer, der genau die Reformen einführte, die ihm schließlich zum Verhängnis wurden.
Wann hat Haile Selassie gelebt? Haile Selassie wurde am 23. Juli 1892 als Tafari Makonnen in der Nähe von Harar, Äthiopien, geboren. Da sein Vater ein Cousin und enger Verbündeter von Kaiser Menelik II. war, wurde er an den Hof in Addis Abeba berufen, als sein Vater 1906 starb.
Im Jahr 1916 wurde er Ras Tafari, präsumtiver Erbe und Regent von Kaiserin Zauditu, der Tochter von Menelik II. 1928 ließen er und seine Anhänger sich von der Kaiserin zum König krönen.
Im Jahr 1930, nach dem Tod von Kaiserin Zauditu, wurde Tafari zum Kaiser Haile Selassie – „Macht der Dreifaltigkeit“ – gekrönt. Er wurde 1974 durch einen Putsch des kommunistischen Derg-Regimes gestürzt und starb weniger als ein Jahr später, am 26. August 1975, in Addis Abeba.
Welche Grundlagen legte Haile Selassie für sein Land? 1931 führte er die erste schriftliche Verfassung Äthiopiens ein, die ein Zweikammerparlament und ein Gesetzbuch vorsah und alle Äthiopier als gleichberechtigt erklärte. Sowohl diese erste Verfassung als auch die zweite, die 1955 verkündet wurde, wurden jedoch kritisiert, weil sie dem Kaiser selbst zu viel Macht einräumten – er behielt sich das Recht vor, jeden Parlamentsbeschluss zu stürzen – und weil sie keine politischen Parteien vorsahen.
War Haile Selassie über jede Kritik erhaben? Tafari Makonnen gilt seit seinen frühen Tagen als guter Stratege. Möglicherweise war er an der Entmachtung des designierten Kaisers Lij Iyasu, Zauditu’s Vorgänger, beteiligt, der nur drei Jahre regierte. Als Kaiser gab Haile Selassie Tausenden von Studenten die Möglichkeit, im Ausland zu studieren. Genau diese Studenten forderten später seine Absetzung, weil sie einen Mangel an Reformen beklagten. Die Enttäuschung über seine Monarchie gipfelte 1960 in einem versuchten Staatsstreich, der die größte Bedrohung für seine Herrschaft darstellte, bis er schließlich von den Derg gestürzt wurde.
Haile Selassies Bestrebungen nach internationaler Zusammenarbeit. Als Regent brachte Ras Tafari Äthiopien 1923 in den Völkerbund, eine der wenigen unabhängigen afrikanischen Nationen zu dieser Zeit und die einzige, die die Mitgliedschaft beantragte und auch erhielt.
Im Jahr 1963 berief der Kaiser die erste Sitzung der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) ein, die später zur Afrikanischen Union wurde. Er half bei der Ausarbeitung der ersten Charta und wurde ihr erster Vorsitzender, und der Hauptsitz wurde in Addis Abeba eingerichtet.
Wie wurde Haile Selassie in Deutschland gesehen? Um seinen Wunsch nach internationaler Zusammenarbeit zu unterstreichen, reiste Haile Selassie viel. Im Jahr 1954 besuchte er als erstes ausländisches Staatsoberhaupt die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland und wurde dort als „der königlichste und feierlichste Empfang für einen Besucher seit Kriegsende“ bezeichnet. Er wurde als Gleichberechtigter begrüßt und war vor allem daran interessiert, den technischen Fortschritt – in der Medizin, der Landwirtschaft und der Industrie – kennen zu lernen, den er mit nach Äthiopien nehmen konnte. Äthiopien blieb ein geschätzter Partner Deutschlands und Haile Selassie wurde 1973, ein Jahr vor seiner Absetzung, in Bonn erneut überschwänglich empfangen.
Wie wird Haile Selassie mit den Worten zitiert?
„Außer dem Königreich des Herrn gibt es auf dieser Erde keine Nation, die einer anderen überlegen ist. … Heute sind wir es. Morgen werdet ihr es sein.“
(aus seiner Rede vor dem Völkerbund, 1936, in der er um Hilfe bei der Vertreibung der italienischen Besatzungstruppen bat)
„Die Geschichte lehrt uns, dass Einigkeit Stärke bedeutet, und mahnt uns, unsere Unterschiede im Streben nach gemeinsamen Zielen zu überwinden, um mit vereinten Kräften den Weg zu wahrer afrikanischer Brüderlichkeit und Einheit zu beschreiten.“
(aus seiner Dankesrede anlässlich seiner Wahl zum ersten Vorsitzenden der Organisation für Afrikanische Einheit, 1963)
Was ist das Vermächtnis von Haile Selassie? Haile Selassie schenkte Äthiopien die erste Universität, Schulen, Krankenhäuser und eine zentralisierte Regierung. Die von ihm angestrebten Reformen führten dazu, dass sich Äthiopien der Außenwelt öffnete, und der Kaiser wurde international als kluger und charismatischer Führer anerkannt – eine Position, die er zum Wohle ganz Afrikas nutzte und panafrikanische Bemühungen förderte. Nach der Unabhängigkeit sahen die afrikanischen Staatsoberhäupter in ihm einen Verteidiger der afrikanischen Werte und der Unabhängigkeit, die europäischen Staatsoberhäupter verehrten ihn als Antifaschisten und in Jamaika verehrten ihn die Rastafari als Messias.
Jackie Wilson, Yilma Haile Michael und Gwendolin Hilse haben zu diesem Paket beigetragen, das Teil der DW-Sonderreihe Afrikanische Wurzeln ist, einem Projekt in Zusammenarbeit mit der Gerda Henkel Stiftung.